18.11.2021 | Romuald Thiery

Von Digitalisierung, Glasfaserausbau & anderen Baustellen

Wir schreiben das Jahr 2021. Ganz Bayern ist modern und digital. Ganz Bayern? Nein, einige Ort oder gar Straßennummern widersetzen sich der Modernität.

Beispiel: Arriorweg 7, in Otterfing*

Als wir 2005 in das knapp 5.000 Einwohner Dorf an der Grenze des Münchner Landkreises gezogen sind, waren gerade mal 2MB/s über den historischen Provider (nennen wir ihn MR) als DSL-Produkt erhältlich. Das funktionierte auch ziemlich gut. Weitere Provider waren da flexibler und gestatteten sogar die Nutzung der vollen physikalisch verfügbaren Bandbreite, was MR irgendwann auch erlaubte. Ungefähr 6MB/s waren dann für damalige Verhältnisse mehr als ausreichend, selbst für einen Freiberufler. Leider nur solange das Wetter mitspielte.

Ja, sie lesen richtig. Die im Boden gelegte Leitung litt darunter, wenn es vom Himmel zu nass wurde.

Dann hieß es keine Internetverbindung, oder keine Telefonie, oder auch mal beide versagten. Jedes Mal wurde der Support eingeschaltet. Es kamen Techniker, die unsere Anschlüsse geprüft haben. Um letztendlich nach 20 Telefonaten und sieben Besuchen zum Schluss zu kommen: Es liegt an der Leitung zwischen Gebäude und DSLAM. Also rückte die Bautruppe vor, zerriss den Gehsteig und verdichtet das Kabel an einer Stelle. Was passieren sollte, passierte auch zwei Jahre später: Wieder die gleichen Probleme, wieder dieselbe Lösung. Das Kabel wurde zehn Meter weiter zusammengeflickt.

Inzwischen sind die 6MB/s immerhin stabil. Die 20 Meter entfernten Nachbarn bekommen 25MB/s. Am Ende der Straße sind sogar ganze 50MB/s erhältlich. Hier kann man fast neidisch werden. Mittlerweile reicht diese Bandbreite bei weitem nicht mehr aus. Die wachsende vierköpfige Familie möchte die digitale Welt mit Alexa, Musik-Flatrates, Zockerabende und UHD-Videos auf Netflix genießen.

Überaus kritisch wird die Lage im Lockdown.

Das Home Office wird für mich und meine Frau (Gymnasiallehrerin) zur Regel. Die beiden Teenager sitzen fünf bis sieben Stunden in der virtuellen Klasse. Die Datenpakete kämpfen regelrecht miteinander. Häufig muss auf Video verzichtet werden, damit zumindest die Tonspur durchkommt. Was tun? Umziehen?

Alternativen werden fieberhaft gesucht. Kabelanschluss ist nicht vorhanden. Bleibt also nur Funk. MR bietet eine Hybrid-Lösung an. Natürlich gegen Aufpreis. Nach dem Motto: Für meine schlechte Leistung musst du als Kunde blechen. Außerdem mit sehr begrenztem Datenvolumen (60 GB? Das entspricht dem letzten “Call of Duty” Update). Die Idee griff ich aber auf. Mit einer FritzBox 6890. DSL-Anschluss und SIM-Karte vom Provider “Wasser”. Über LTE kommen ca. 3MB/s dazu, transparent für alle Clients in unserem Haushalt. Als Flatrate zusätzlich zum Mobilfunkvertrag zehn Euro Zusatzkosten. Also 50% mehr Download-, 700% mehr Uploadbandbreite.

Die Kinder müssen ihre Referate nicht mehr aus dem verschneiten Garten halten!

Weitere Optimierungsmöglichkeit: Ich überlege, eine Außenantenne anzubringen, um den Empfang zu verbessern. Ausblick? Solange MR die Oberhand auf den historischen, damals mit Steuergeldern gelegten Leitungen hat, wird sich die Lage nicht bedeuten ändern. Nur 5G könnte uns retten, ich prüfe regelmäßig die Netzabdeckungskarten. Dann müsste auch der Preis dazu stimmen, 80€ monatlich für eine Mobilfunk-Flatrate zu Hause sind einfach zu viel. Als gebürtiger Franzose sind mir die Verhältnisse in Frankreich bestens bekannt. Selbst am Rande einer kleinen Stadt bekommt der Ahne 5GB/s für 40€/Monat (inklusive Telefonflatrates im In- und Ausland, 220 TV-Programme…).

Ja, das ist kein Druckfehler: Bezahlbare 5Gb/s. Schneller als Ihr internes Netzwerk…

Also lieber historischer Provider, leg endlich Glasfaserleitungen, damit ganz Bayern wieder den Anschluss bekommt!

 

*die echte Adresse ist dem Verfasser dieses Artikels sehr gut bekannt