„Sie werden Tape lieben"
Herr Weingand, der Manager eines asiatischen Storage-Herstellern hat kürzlich öffentlich bekannt, dass er ‚Tape hasse‘. Es sei zu langsam, zu kompliziert in der Handhabung und alle Kunden, mit denen er spreche, würden das gleiche denken. Fühlen Sie sich angegriffen?
Josef (Sepp) Weingand: Im Gegenteil: Ich bin immer dankbar, wenn über Tape in der Öffentlichkeit gesprochen wird und auch gerne kontrovers. Aber schmunzeln musste ich schon. Bereits vor 10 Jahren haben die großen Festplattenhersteller das Magnetband für tot erklärt. Aber die Totgesagten leben bekanntlich länger und erfreuen sich bester Gesundheit! Im Mai haben die Technology Provider des LTO-Programms den Jahresbericht für 2023 veröffentlicht: Demnach wurde eine komprimierte Gesamtbandkapazität von 152,9 Exabyte ausgeliefert, dies entspricht einem jährlichen Wachstum von drei Prozent. Und gegenüber 2014 haben sich die Auslieferungszahlen fast um das 2,5-fache erhöht.
Welche Gründe sprechen für die Renaissance von Tape?
Josef (Sepp) Weingand: Die digitale Transformation, kombiniert mit Technologie-Trends wie dem Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz hat in vielen Unternehmen zu einem exponentiellen Datenwachstum geführt. Laut den Marktforschern von IDC betrug das gesamte Datenvolumen in 2023 über 150 Zettabyte, das ist eine 150 mit 21 Nullen. Bis 2027 soll sich das Datenwachstum fast verdoppeln, auf dann 284 Zettabyte. Demgegenüber stehen nur noch geringe Steigerungsraten bei der Festplatten-Kapazität, die auf weniger als 10 Prozent pro Jahr geschätzt werden. Im Gegensatz dazu beträgt das Kapazitätswachstum bei Tape 30 bis 40 Prozent pro Jahr. Tapes auf Basis der aktuellen Generation 9 des LTO-Standards speichern bis zu 18 Terabyte (TB) an Daten, komprimiert sogar 45 TB. Die LTO-Roadmap sieht für die nächsten Generationen jeweils eine Verdopplung der Speicherkapazitäten vor. Bei LTO-14 soll dann eine native Speicherkapazität von über 500 TB erreicht werden. In komprimierter Form sind das dann erstaunliche 1,44 Petabyte.
Welche Rolle spielt Tape in IT Security-Strategien?
Josef (Sepp) Weingand: Cyberangriffe haben immer mehr die Backup-Daten von Unternehmen im Visier. Ein vollständiges, aktuelles Backup an einem anderen Ort, Offsite, der nicht über das Netzwerk erreichbar und damit auch nicht angreifbar ist sowie sinnvollerweise auf anderen Medien vorliegt, ist keine Option mehr, sondern Pflicht. Air Gap, also die strikte Trennung zwischen Datenspeicher und IT-Netzwerk, ist hierbei entscheidend. Denn nur dann kann sicher gestellt werden, dass Schadsoftware die Daten nicht kompromittiert und verschlüsselt. Solche unangreifbaren Backups lassen sich nur mit Tape umsetzen.
Was halten Sie von logischen Air Gap-Konzepten?
Josef (Sepp) Weingand: Logische Air Gap-Konzepte erweitern das Schutzniveau in Storage-Systemen. Bei den IBM Flashsystemen heißt diese Funktion Safeguarded Copy. Damit werden Point-inTime-Kopien der Daten in einem dezidierten, isolierten Bereich innerhalb des Flash-Speichers erstellt. Dort sind sie vor Zugriffen geschützt. Das höchste Schutzniveau bieten aber weiterhin Bandspeicher. Nur wenn Daten physikalisch vom Netzwerk getrennt sind, können sie als sicher bezeichnet werden. Tape ist und bleibt das einzig wahre Air Gap-Medium und die letzte Verteidigungslinie in der Unternehmens-IT.
Und wie schlägt sich Tape bei den Kosten?
Josef (Sepp) Weingand: Tape ist das kosteneffizienteste Speichermedium auf dem Markt. Große Speicherkapazität zu kostengünstigen Preisen, so lautet die Erfolgsformel. Je nach Betrachtung ist Tape im Vergleich zur Festplatte um den Faktor 2 oder Faktor 10 günstiger. Das haben auch die großen Hyperscaler erkannt, die Tape im großen Stil einsetzen.
Sie haben jetzt eine Reihe von Vorteilen genannt, die für Bandspeicher sprechen: Kapazität, Cybersecurity und Kosteneffizienz? Warum tut sich Tape beim Image trotzdem so schwer?
Josef (Sepp) Weingand: Die hinter Tape stehende Magnetband-Technologie ist nicht ’sexy‘. Wie die Kapazitätsentwicklung zeigt, ist Tape jedoch ein hochinnovatives Speichermedium. Und auch die oft geäußerte Kritik, dass Tape zu unhandlich und komplex sei, muss widersprochen werden. Wenn die Tape-Lösung richtig implementiert ist, gibt es bei der Handhabung im Vergleich zu Festplatten keine Unterschiede. Ich vergleiche Tape oft mit den FFP2-Masken: Beide sind einfach und kostengünstig einzusetzen und bieten einen effektiven Schutz vor Viren und Malware. Aber beide haben ein schlechtes Image. Ich kann Unternehmen nur dazu raten, Tape in ihre Backup- und Archivierungsstrategien einzubinden. Speziell, wenn es zu einer Cyberattacke oder einem Datenverlust aufgrund menschlicher Fehler kommt, verspreche ich: ‚Sie werden Tape lieben‘.
Von welchen technologischen Tape-Innovationen bei IBM können Sie uns berichten?
Josef (Sepp) Weingand: IBM hat in der zweiten Jahreshälfte 2023 ein neues Enterprise-Tape-Laufwerk, das TS1170, vorgestellt. Das Magnetband-Laufwerk ist ein technologischer Meilenstein im Tape-Markt. Erstmals können bis zu 50 Terabyte an Daten in nativer Form pro Kassette gespeichert werden. Dies übertrifft sowohl den Vorgänger als auch aktuelle LTO-9-Lösungen um den Faktor 2,5. Möglich wird der Kapazitätssprung durch den Wechsel der Beschichtung auf Strontium-Ferrit (SrFe). IBM Safeguarded Tape schafft mit einem logischen Ansatz einen völlig isolierten Bereich innerhalb seiner Tape Libraries TS4500 und Diamondback. Eine solche logische Partition erschafft einen geschützten Bereich, in dem die Daten nicht mit Ransomware infiziert werden können. Die Verwaltungssoftware der Tape Libraries automatisiert das Bewegen der Daten in diesen sicheren Bereich, sodass die Bänder weder physisch noch manuell bewegt werden müssen.
Wagen wir am Ende noch einen Blick in die Zukunft. Welche Trends erwarten sie für das nächste Jahr?
Josef (Sepp) Weingand: Im Jahr 2025 wird die Vorstellung von LTO-10 erwartet. Für die 10. Generation des LTO-Standards ist eine native Speicherkapazität von bis zu 36 Terabyte geplant, komprimiert sind das dann 90 TB. Ein zweiter wichtiger Trend betrifft den Einsatz von Tape bei der Archivierung großer Datenmengen. Hierfür hat IBM aktuell IBM S3 Deep Archive für sein Tape Library-Portfolio angekündigt. Die neue Lösung verwaltet und steuert vollautomatisch die Bandspeicher durch die Nutzung einer standardisierten, interoperablen Schnittstelle. Dabei handelt es sich um die Standardschnittstelle der Speicherklasse S3 Glacier Flexible Retrieval. Spezielle Tape-Software und Bandkenntnisse sind nicht mehr erforderlich. Anwender können dann direkt über ihre Software-Applikationen – vorausgesetzt die Speicherklasse S3 Glacier Flexible Retrieval wird unterstützt – ihre Daten auf Band speichern. In einem ersten Schritt ist IBM S3 Deep Archive für die IBM Diamondback erhältlich, eine Erweiterung auf die Tape Library TS4500 und TS4300 ist in Planung.

Josef Weingand ist Business Development Manager für Tape Storage bei IBM, zuständig für die Region DACH. Er hat über 28 Jahre Erfahrung in Tape Storage und arbeitet sowohl im Technical Support und im Sales Support für Data Protection, Data Retention und Tape Lösungen. Josef hat an mehreren IBM Redbooks mitgearbeitet und einige Patente im Storage Bereich erarbeitet.